Katherina Mair

Texte

Mein jüngster Bilderzyklus „Einer mit dem Anderen“ ist der Versuch einer Annäherung an das Porträt. Die Bilder haben keine festgelegte Ausrichtung, so dass sie mit der einen oder anderen Seite nach oben gehängt werden können. Die Gesichter verlieren ihre Bindung an die Schwerkraft. Durch die Drehung folgt die Veränderung der Wahrnehmung und Interpretation.

In meiner Organza-Serie wollte ich für meine Malerei ein Medium finden, dass durch seine Materialität von der Vielschichtigkeit der menschlichen Natur erzählt oder sich ihr zumindest annähert. Die Organza-Bilder verschmelzen durch die Überlagerung mehrerer Malschichten zu einem Bild mit außergewöhnlicher Transluzenz, die Tiefliegendes erkennen lässt.

Katharina Mair


In Katharina Mairs abstrakten Kompositionen verbergen sich gesellschaftspolitische Botschaften. Meist sind es weibliche Körperteile, die, figurativ gemalt und somit deutlich als solche erkennbar, zu einer Körpermasse verschmelzen, in der das einzelne Individuum nicht vorgesehen ist. Die Arme und Beine, die Mair malt, sind lang und schlank; sie entsprechen den Vorstellungen von Schönheit, die in unserer Kultur durch Mode und Werbung vermittelt wird. Aus den Bereichen der Populärkultur nährt sich auch Katharina Mairs Inspiration, und aus ihr entsteht ihr Verlangen, sich malerisch gegen die oberflächlichen Wertvorstellungen unserer konsumorientierten Gesellschaft zur Wehr zu setzen. Im selben Maß, in dem weibliche Körper durch ihre mediale Präsenz zur Ware erklärt werden, wandeln sich Mairs Körperfragmente zu symbolträchtigen, psychodelischen Ornamenten, die zwischen drastischer Figuration und surrealer Verfremdung mäandern. In vielerlei Hinsicht lassen diese Arbeiten an dieKörperbewusstseinsbilder der Maria Lassnig denken, die in schonungsloser Selbstbeobachtung und als eine der wenigen Frauen in einer männerdominierten Kunstwelt ihren eigenen Körper und die damit verbundenen Gefühle auf eindrucksvolle Weise zum Ausdruck brachte. Mairs Beschäftigung gilt zwar nicht ausschließlich ihrem eigenen Körper, sondern dem Frau-Sein mit all seinen gendertheoretischen und feministischen Implikationen. Doch was beide Künstlerinnen vereint, ist das Gefühl, dass Weiblichkeit zuweilen mit Isolation und Einsamkeit einhergeht. Besonders deutlich wird diese Diskrepanz von Schönheit und gleichzeitiger Leere in Mairs kleinformatigen Ölbildern auf Organza, ein transparentes Gewebe, das den tiefgründigen Bildinhalten eine schillernde Oberfläche schenkt.

Katia Huemer

Mein Körper ist abhanden gekommen – Katherina Mairs Malerei und Collagen

Das Hauptinteresse in Katherina Mairs Kunst liegt in der Auseinandersetzung mit dem menschlichen Körper. Oft ist es der eigene, meist jedoch ist es der durch die Masse absorbierte einzelne Körper, der seine Individualität längst verloren hat und in einem größeren Ganzen aufgeht. Somit wird rasch klar, dass es sich dabei weniger um den realen Körper handelt, sondern vielmehr um dessen Bild. In dieser Bildhaftigkeit wird die formale Qualität zur inhaltlichen und spiegelt zugleich einen Zustand, der synonym für die Entwicklung der allgemeinen Körperwahrnehmung im Laufe der Zeit ist. Ein allgemeingültiges Phänomen wird hier deutlich. Wo immer Menschen im Bild erscheinen, werden Körper dargestellt, womit ein metaphorischer Sinn entsteht: Man zeigt den Körper, aber man meint den Menschen. Allerdings muss man den Bildwissenschaften folgend, die die Allgemeinheit des Visuellen zum Ziel hat, feststellen, dass, je mehr der Körper von der Biologie, der Gentechnik und den Neurowissenschaften erforscht wird, er uns desto weniger noch in einem symbolkräftigen Bild zur Verfügung steht. Zu viel ist aufgrund rationaler bzw. analytischer Forschung ans Tageslicht gekommen und in der Folge ins allgemeine Bewusstsein eingesickert, als dass wir im spekulativen Bereich des Metaphorischen oder des Symbolischen verharren können. Wir haben gleichsam den Körper vom traditionellen Menschenbild abgelöst, womit in der Konsequenz das Kopieren und Neugestalten, das im Rahmen der Bildstruktur selbstverständlich möglich ist, auch auf die reale Sphäre des Körperlichen transferiert wird. Es geht dabei nicht nur um das Erziehen eines neuen Menschen – das mag im ideologischen Zusammenhang zutreffen – sondern um die Erfindung eines neuen Menschen. Die bildgebenden Verfahren in den Naturwissenschaften stellen technische Bilder vom Körper her. Sie kartographieren einen Körper und entziehen ihm gleichsam die individuelle Dimension. „Mein Körper“ ist abhandengekommen.

Man könnte Arthur C. Danto hier folgen und feststellen, dass da kein Selbst mehr ist, das man im Körper gelassen hätte – Beliefs about the body as object. Danto folgert daraus: “Any picture of ourselves that does not take into consideration the fact that it is a picture, will be false.” (1) Katherina Mair beschäftigt sich seit Beginn ihrer künstlerischen Tätigkeit mit der Frage nach dem Bild des Selbst und in der Folge auch mit dem Bild des Körpers allgemein. Man könnte ihre Position, die sie in den Medien Malerei und Fotografie bzw. in der Collage umsetzt, als kritisch gegenüber den generellen Entwicklungen in Bezug auf unsere körperliche Realität ansehen. Sie reagiert dabei auf die Tatsache, dass sich die Darstellung des menschlichen Körpers, die traditionell von den Bildern der Künste geprägt war, längst einer Mediatisierung unterworfen ist und damit ein Paradigmenwechsel vollzogen wurde.

Das Körperbild der Moderne ist in hohem Maße durch die Bedingung geprägt, die von den technischen Medien entwickelt worden ist. Auch die Malerei ist von dieser Bedingung beeinflusst. Man kann somit von einer medialen Konstruktion des menschlichen Körpers sprechen. Die Folge dieser Bildwerdung des Körpers ist dessen Reaktion darauf, die in einem Streben nach Erfüllung der Ideale besteht, die den Körper an das Bild anzugleichen versuchen. Die Massenmedien geben gewisse Ideale vor, die von Bereichen wie Kosmetik, Sport oder Schönheitschirurgie begleitet und forciert werden. So wurde das äußere Erscheinungsbild des Körpers Gegenstand einer Industrie, die Schönheit normativ und zwanghaft vorschreibt.

Schönheitsideale sind seit dem Beginn der Moderne in einem rasch vollzogenen und radikalen Wandel begriffen. Der schöne athletische Körper im Sinne der Antike wurde dabei zurückgedrängt. Die totalitären Systeme des 20. Jahrhunderts, die einen Kampf gegen alles Moderne führten, haben diese vertrauten Ideale heroisiert und gleichzeitig pervertiert. Es ist nur konsequent, dass innerhalb des Diskurses um die Moderne der zerstückelte und zerstörte Körper als Synonym für Disharmonie und Neuordnung im Bezug auf Idealisierung jedweder Art zu lesen ist. Expressionismus, Futurismus, Kubismus oder Surrealismus sind letztlich Formulierungen, die eine Segmentierung des Körperbildes zum Ziel hatten. Vieles davon findet sich heute im Zusammenhang mit der medialen Realitätskonstruktion auch außerhalb der bildenden Künste wieder. Bereiche wie Mode, Pop, Porno oder Werbung gehen strukturell ähnliche Wege, sind jedoch in keiner Weise als kritische Vorgänge interpretierbar, sondern vielmehr als erneute Pervertierungen traditioneller Ideale. Wieder wird der Mensch vor eine unlösbare Aufgabe gestellt, sich ideal zu präsentieren, role models zu folgen und fragwürdigen Glücksversprechungen nachzulaufen.

Katherina Mair reagiert sehr bewusst auf diese Dynamiken und setzt sie in ihren Bildstrukturen um. Sie versucht darin die Frage nach Authentizität und nach der eigenen Identität zu stellen. Ihre Inspiration bezieht sie selbstverständlich aus den trivialen Bereichen der Populärkultur, die sie mit dem Vokabular der Moderne verbindet. Auch hier ist es in erster Linie die Repräsentation der Moderne, die entscheidend ist – gleichsam die Bildmöglichkeiten, die durch die Moderne entstanden sind. Die Körper der Stars und Celebrities sind mit allerlei überzüchteten Posen ausgestattet. Aus diesen Überzüchtungen wird auch gar kein Hehl gemacht – vielmehr sind sie zum ästhetischen Imperativ im Zusammenhang mit der Erlangung des Glücks geworden. Sie sind es letztlich auch, die bestimmend sind für das öffentliche Erscheinungsbild des aktiven, erfolgreichen und begehrenswerten Menschen in einer vom Konsumismus dominierten Gesellschaft. Mairs Bilder sind durchkomponierte Kosmen, in denen sich die beschriebene Entwicklung verselbständigt hat. Die fragmentierten Körper werden zu Ornamenten des Glücks, zu an Lebewesen erinnernde Formationen, die sich im schwerelosen Raumkontinuum des Irrealen ineinander verhaken, sich zu neuen Organismen zusammenschließen, aber immer auch wieder gelöst von einander durch die Galaxien gleiten. Dass es sich dabei um Malerei bzw. Collagen handelt, scheint sekundär zu sein bzw. es mutet selbstverständlich an, ist doch heute die Allgemeinheit der Bilder bestimmend und nicht mehr die Erhöhung eines Inhaltes durch das Medium. Man kann Katherina Mairs Bilder auch als Fallen verstehen, die durch den delikaten Glanz der Oberfläche sowohl das akzeptierte Vokabular der Moderne meint, als auch dessen Konsequenz innerhalb der medialen Konstruktion. Sie werden so zu eindrucksvollen Zeugnissen einer Welt von heute, die sich nicht nur in Bezug auf das Bild in einem Zustand der Fragmentierung und ständigen Neukonfiguration befindet.

Günther Holler-Schuster

(1) Arthur C. Danto, The Body/Body Problem. Selected Essays, Berkeley 1999, S. 184 ff.